Ethik und Moral zu Corona-Zeiten

Macht es Sinn, sich zu streiten, über diese Dinge?

Ethik und Moral

Macht es Sinn, sich zu streiten, über diese Dinge? Gerade die aktuelle Corona-Zeit strapaziert meine Geduld erheblich. Mich nerven sowohl die im Geiste Faulen, die Nachplapperer, die Allwissenden und die Verkünder. Selten war die Verwirrung so groß, wie in den letzten Monaten. Die Wahrheit – alle wollen sie, keiner kann damit dienen. In solchen Situationen wird viel von Ethik und Moral geredet. Doch viele Leute bekommen beide Begriffe kaum auseinandergehalten, streiten aber zunehmend wie die Kesselflicker. Um die Frage nach dem Sinn entsprechender Diskussionen beantworten zu können, sollten wir wohl mehrmals tief durchatmen und ein paar grundsätzliche Überlegungen anstellen.

Meinung:  Der Artikel gibt die Meinung des Autors wieder. Eine eigene Bewertung bedeutet nicht automatisch, richtig zu liegen. Autor: Stev DrewsKeiner von uns kann es leisten sich dafür zu verbürgen, dass die Zukunft ihm Recht gibt. Doch wir können zur Demokratie beitragen bringen wir uns ein, nach bestem Wissen und Gewissen. (Stev Drews/DER-BARNIMER)

Warum ich mit dem Begriff Moral meine Schwierigkeiten habe

Moral oder moralisches Handeln legt zugrunde, dass sich eine Gruppe von Menschen auf Regeln oder Handlungsmuster festgelegt hat, um einem Konsens zu folgen. Gehen wir einmal davon aus, dass entsprechende Gruppen aus verschiedensten Gründen unterschiedlich geprägt sind. Als Stichworte nenne ich nur Religion und Kultur. Sie verstehen was ich andeuten möchte. Moral, die im Ergebnis “gutes Handeln” bewirken soll, wird wohl in vielen Fällen sehr unterschiedlich ausgelegt. Ich habe in der Vergangenheit schon mit vielen Menschen gesprochen.

Mit Uninteressierten, Gemäßigten und Radikalen aus politischen oder auch religiösen Gruppen. Sie können sich vorstellen, alle meinen moralisch richtig zu liegen. Der, der den Kopf eines Anderen auf den Bordstein legt, genau wie der, der Köpfe abschneidet, auch der, der “nur” Gefährder unschädlich machen will – sie alle haben sehr eigene Vorstellungen von Moral. Darum muss der “Konsens, einer gesellschaftlichen Gruppe”, meinetwegen auch der “Konsens einer ganzen Gesellschaft”, so es ihn gibt, überprüfbar sein. Meinung ist dabei nicht unbedingt hilfreich. Es sei den sie beruft sich auf etwas Höheres, als die Moral selbst. Ansonsten drehen wir uns logischerweise im Kreis.

Ethik und Moral wo liegt der Unterschied

Immer wenn es darum geht, theoretische Moral oder moralisches Handeln zu überprüfen haben wir die Ethik als Mittel. Auch sie ist nicht absolut. Doch sie hat klare, immer geltende, gleiche Fragestellungen, an denen sie sich orientiert, um “gutes” oder “schlechtes” Handeln zu überprüfen, das aus “Moral” hervorgeht. Dazu fragt Ethik nach dem „höchsten Gut“, dem “richtigen Handeln in bestimmten Situationen” und “der Freiheit des Willens”, um dann eine verantwortbare Praxis aufzuzeigen. Und nun kommen wir in die aktuelle Corona-Situation.

In einem Schreiben fordert Wolfram Henn, Humangenetiker und Mitglied des Ethikrats der Bundesregierung, Verweigerer einer Corona-Impfung dazu auf, auch auf Notfallmaßnahmen im Krankheitsfall zu verzichten. Ist diese Aufforderung ethisch in Ordnung? “Jein”, ist sie/ist sie nicht. Der ein oder andere wird jetzt erschrecken. Doch Henn beachtet wenigstens teilweise die schon genannten Grundfragen der Ethik. Noch einmal, das sind die Fragen nach dem „höchstes Gut“, dem “richtiges Handeln in bestimmten Situationen” und “die Freiheit des Willens”.

Ethik in der Corona-Zeit

“Wer partout das Impfen verweigern will, der sollte, bitte schön, auch ständig ein Dokument bei sich tragen mit der Aufschrift: ‘Ich will nicht geimpft werden. Ich will den Schutz vor der Krankheit anderen überlassen. Ich will, wenn ich krank werde, mein Intensivbett und mein Beatmungsgerät anderen überlassen”

Quelle BILD / Wolfram Henn, Humangenetiker und Mitglied des Ethikrats der Bundesregierung

Die Forderung appelliert an den “freien Willen”. Das ist soweit in Ordnung. Das “richtige Handeln in bestimmten Situationen”? Woher weiß Henn, welches Handeln vor dem Hintergrund der umstrittenen Impfung, richtig ist? Es gibt wohl niemanden auf der ganzen Welt, der zu Langzeitwirkungen des mRNA-Impfstoffes, BNT162b2, gesichtete Auskünfte geben kann. Sich auf die jetzigen Erkenntnisse zu verlassen, begründet wohl kein “Handlungsmuster”, welches ethisch abgenickt sein könnte. Und die Frage nach dem höchsten Gut, wie ist es damit? Was ist das “höchste Gut” in unserer Gesellschaft? Wie ist es bisher? Ist das “höchste Gut” das Leben aller? Eher nicht. Daran haben wir uns noch nie ausgerichtet. Das Leben einzelner Leute? Auch das sehe ich nicht. Oder ist der Konsens das Leben vieler Menschen? Sind viele Menschen an Leib und Leben bedroht? An dieser Stelle könnte die Diskussion schon ewig dauern. Gemessen woran und so weiter. Schenken wir uns das.

Unethisch aus anderem Grund

Keine Sorge, Wolfram Henn bekommt sein Fett weg. Nicht was der Humangenetiker als Mitglied des Ethikrats der Bundesregierung sagt ist eine Katastrophe, sondern das was er tut. “Henn begeht eine manipulative, emotionale, scheinmoralische Erpressung.” Die hat weder etwas mit dem “höchsten Gut”, “dem richtigen Handeln”, noch mit “dem freien Willen” zu tun. Über die Einordnung von emotionaler Erpressung brauchen wir wahrscheinlich nicht reden. Moral, als “Handlungsmuster” und für “Regeln” in Coronazeiten? Dazu nötige klare gesamtgesellschaftliche Mehrheitsverhältnisse – zum Umgang mit der Corona-Situation? Von alledem sind wir weit entfernt. Wir haben es bisher nicht geschafft, uns auf einen “Konsens” zu einigen, den wir halbwegs gemeinsam anstreben wollen, der die Grundlage für eine entsprechende moralische Haltung wäre und durch Ethik überprüfbar ist. Oder bestimmen diesen Konsens jetzt wenige Politiker? Hier hat Politik übrigens wieder einmal versagt. Sie hat nicht den Austausch befördert, sondern die Spaltung der Gesellschaft. Jetzt sitzen wir in einem Trümmerfeld aus Angst und Wut und wundern uns über die hochgekochte Stimmung. Besonders brisant an Henns “Aufforderung” vor diesem Hintergrund? Er muss als intelligenter Mann und Politikberater um die Wirkung seiner Äußerungen wissen.

Fazit:

Wie soll Ethik etwas überprüfen und gegebenenfalls absegnen, was es als gesamtgesellschaftliche Moralvorstellung nicht gibt? Beschäftigen Sie sich mit dem Begriff Ethik, werden Sie zudem noch folgenden Hinweis finden. “Situationsspezifische Anwendung von Prinzipien auf neue Situationen und Lebenslagen kann Ethik nicht leisten.” Im Grunde ist dieser Satz Erklärung genug. Wozu also werden überhaupt Mitglieder des genannten Rates zu den Themen Ethik, Moral im Kontext von  Corona-Impfungen präsentiert? Nicht mehr, als ein Manipulationsversuch? Ich bin wie immer gespannt auf Ihre Meinung.